Bericht einer Mutter aus Salzburg:
Zunächst ist für mich die Erziehung – und Sexualerziehung gehört dazu – die erste Aufgabe und Verantwortung der Eltern. Dabei geht es neben der Vermittlung von Wissen und Fertigkeiten auch ganz besonders um die Weitergabe von Werten. Die Schule unterstützt uns Eltern bei der Wissens- und Kompetenzvermittlung. Als Eingriff in unsere persönliche Freiheit und in meine Rechte als Elternteil empfinde ich es aber, wenn mein Kind in der Schule quasi „verpflichtet“ wird, an einem Aufklärungskurs durch einen schulfremden Verein teilzunehmen, der meinen christlichen Wertvorstellungen grundlegend widerspricht.
Ich habe zwei Kinder im Alter von 14 und 12 Jahren. Ich habe eine sehr gute Beziehung zu meinen Kindern und fühle mich durchaus in der Lage, meine Kinder selbst aufzuklären. Die ersten Fragen tauchen schon bei kleinen Kindern auf, besonders, wenn ein Geschwisterchen unterwegs ist. Aus meiner Erfahrung kann man immer alles liebevoll, ehrlich und altersgerecht erklären und meine Kinder wissen ihrem Alter entsprechend über alles Bescheid, so wie sie auch wissen, wie der Körper allgemein funktioniert und gepflegt wird. Außerdem haben sie ein natürliches Schamgefühl entwickelt und wissen, dass es gute und schlechte Geheimnisse gibt und dass man bei schlechten solange Hilfe suchen muss, bis man sie gefunden hat.
Als mein Sohn in der 3. Klasse VS an einem Missbrauchspräventions-Workshop des Vereins Selbstbewusst (Name des Workshops “ Mein Körper gehört mir“), teilnehmen sollte, war ich nach dem Elternabend, an dem uns der Ablauf vorgestellt wurde, sehr beunruhigt. Zuerst einmal wurde festgestellt, dass Kinder in diesem Alter nicht gerne über diese Dinge reden. Um das Schamgefühl bei ihnen abzubauen werden in einem Spiel Punkte dafür vergeben, dass sie die verschiedensten Bezeichnungen für die Geschlechtsteile herausrufen. Das hat mich stutzig gemacht. Bei der Missbrauchsprävention ist das eigene Schamgefühl ein sehr guter Schutz, der erkennen lässt, wann eine Grenze überschritten wird, die eigentlich nicht überschritten werden darf. Ich finde es sehr bedenklich, dass man mit Hilfe von Gruppendruck im Spiel die natürlichen Hemmschwellen einreißt.
Genauso, wie mich das Einstiegsspiel – die Kinder kämmen sich gegenseitig die Haare – verwundert hat. Auch in dieser Situation hat höchstens ein sehr selbstbewusster 9 Jähriger die Möglichkeit, nein zu sagen, wenn ihm das Haare-Kämmen durch ein anderes Kind als Eingriff in die Privatsphäre erscheint. Ich persönlich möchte mir auch nicht von jedem die Haare kämmen lassen! Ich verstehe nicht, wie das Ziel der Missbrauchsprävention, nämlich Situationen schnell zu erkennen, in denen meine Privatsphäre verletzt wird und die gefährlich für mich werden können, erreicht wird, indem man den Kindern ihr natürliches Schamgefühl abtrainiert und ihnen genau solche Situationen als völlig normal darstellt, die in ihre Privatsphäre eingreifen durch z.B. gegenseitiges Kämmen, Streicheln und Massieren vom Kindergarten an. Wie bekannt ist, beginnen Täter auch zuerst mit harmlos erscheinenden Situationen.
Auch die Bücherkiste, die längere Zeit in der Klasse bleiben sollte, wurde vorgestellt. Darunter waren Bücher, in denen 9 Jährige detaillierte Fotografien des Geschlechtsaktes in Falschfarbendarstellung zugemutet wurden, sowie Bilderbücher mit Klappen, in denen der kleine Bub mit Teddybär unterm Arm, der – vielleicht von einem Albtraum aufgeschreckt- gerade schutzsuchend das elterliche Ehebett ansteuert, abgewiesen wird durch die Darstellung der Eltern beim Geschlechtsakt mit dem Hinweis, sie hätten jetzt gerade keine Zeit für ihn, sie seien anderweitig beschäftigt. Daneben gab es großformatige Darstellungen aller Verhütungsmittel. Ich halte solche Bilderbücher nicht geeignet für meine Kinder.
Für mich sieht das nicht nach Schutz sondern nach Verletzung der Kinderseele aus. Meine Kinder bzw. gesunde Kinder ganz allgemein empfinden es in diesem Alter schon als peinlich, wenn sich Verliebte küssen. Sie befinden sich gerade in der Latenzphase, wie man in der Entwicklungspsychologie nachlesen kann. Sie sind der oralen und der analen Phase entwachsen und es dauert noch etwas, bis sie in der Pubertät dann Interesse am anderen Geschlecht entwickeln. In diesem Alter reicht es völlig aus, wenn die Lehrerin mit ihnen im Sachkundeunterricht bzw. in der 5. Schulstufe in Biologie bespricht, wie ein Baby entsteht und sich bis zur Geburt entwickelt und welche Veränderungen es in der Pubertät gibt.
Meinem Sohn war die übertriebene Beschäftigung mit diesem Thema sehr unangenehm. Besonders verstörend haben wir eine Geburtstagsjause kurz nach dem Kurs in Erinnerung, bei dem die Klassenkollegen meines Sohnes – alles eigentlich sehr nette Kinder aus guten Familien – während des Kuchenessens und selbst in meiner Anwesenheit über nichts anderes redeten als vulgäre Ausdrücke auszutauschen für alles, was mit dem Geschlechtsverkehr im Zusammenhang steht. Ich finde es wichtig, dass man seine Körperteile benennen kann. Die ordinäre Ausdrucksweise und das unangemessene Gesprächsthema für eine Geburtstagsjause, auf das sie immer wieder zurückkamen, erscheint mir nicht passend zu unserer Würde als Menschen und hinterließ bei mir den Eindruck, als ob die Behandlung des Themas die Kinder auf eine beunruhigende Art und Weise aufgewühlt hinterlassen hat. Sie schienen in etwas hineingeraten zu sein, das sie sich zu dem Zeitpunkt nicht ausgesucht hätten, das sie nicht wirklich nachvollziehen konnten und das sie dadurch auch nicht abschließen konnten.
Meine Tochter habe ich auch auf ihren Wunsch hin nicht zum Aufklärungsworkshop in der 4. Klasse Volksschule geschickt. Im Elternabend dazu wurde wieder alles vorgestellt. Ich teile die Werte des Vereins nicht. Im Verein „Selbstbewusst“ wird den Kindern immer erklärt, dass jeder mit jedem jederzeit alles darf, solange es beiden gefällt. Das mag zwar eine notwendige Voraussetzung für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr sein, ist in meinen Augen aber keine hinreichende Bedingung für ein geglücktes Leben. Statt von der Würde der Frau und der mit ihr verbundenen Fruchtbarkeit zu sprechen, geht es um Verhütungsmittel, die alles verhindern, was nicht sein darf. Über die Verbreitung von Geschlechtskrankheiten und deren Folgen durch ständig wechselnde Sexualpartner wird nicht wirklich gewarnt. Ich möchte nicht, dass meine Tochter Werte übergestülpt bekommt, die im Gegensatz zu dem stehen, was ich als gesund für die Psyche und den Körper meiner Tochter erachte.
Die Befriedigung des Sexualtriebes muss man nicht lernen, genauso wenig wie essen oder trinken. Das kann jeder Mensch ohne einen Kurs zu belegen, so wie auch jedes Neugeborene ab den ersten Minuten auf der Welt an der Brust trinken kann. Zudem ist jeder Mensch mit Schulabschluss in der Lage, die Gebrauchsanweisung für ein Kondom durchzulesen. Es ist also nicht notwendig, das in der 4. Klasse zu üben. Lernen muss man allerdings, wie man seine Triebe in unserer Welt der Überfülle beherrscht, dass man sich eben nicht nur von Schokolade ernähren kann, dass es nicht gesund ist, schon in der Früh einen halben Liter Schnaps zu trinken, und dass es für einen auch nicht gesund ist, „es“ immer und überall und mit jedem zu machen, nur weil man gerade Lust hat und beide es wollen. Aus christlicher Sicht geht es dabei um viel mehr, um das Heil der Seele, um die Weitergabe des Lebens, um die Hingabe und die Annahme des anderen als Ganzen, um Liebe und um Verantwortung.
Ich möchte meinen Kindern alles mitgeben, damit ihre Beziehungen gelingen können. Unter dem Stichwort „Die Jugend ist die Bildhauerin des Lebens“ lässt sich die Aufgabe in der Pubertät wunderbar zusammenfassen: Es ist eine besondere Zeit, die die Jugendlichen sehr gut für sich nutzen sollen, indem sie sich in dieser Zeit selbst kennenlernen vor allem in ihren Eigenschaften und Talenten. Wer sind sie, was gefällt ihnen an sich, woran wollen sie arbeiten, was braucht eine Beziehung…? Das ist wirklich hilfreich und führt dazu, dass sie mit sich im Reinen sind und zu liebes- und beziehungsfähigen Erwachsenen heranwachsen.
Für mich und meine Kinder ist nach der Volksschule das Thema „Verein Selbstbewusst“ (hoffentlich) erledigt.